Hans-Jürgen Migenda (1926-2013) im 2. Weltkrieg
„Ich aber habe nicht zu urteilen. Die wahre Weisheit liegt in den Ereignissen. Ich habe nur erzählt, was sich zugetragen hat. Sonst nichts.“
(Hans Lipinski-Gottersdorf - „Die letzte Reise“ )
(Hans Lipinski-Gottersdorf - „Die letzte Reise“ )
Vor über 30 Jahren bat ich meinen Vater interessehalber, die Erlebnisse seiner Jugendzeit, sowie was er noch in Erinnerung hat über seine Eltern, Großeltern und sonstige Verwandtschaft niederzuschreiben. Der Familienforscher freut sich immer, wenn er die Grunddaten eines Vorfahrens besitzt wie Geburtsdatum und -ort, wann und wo geheiratet und wen, Beruf und Glauben, wann und wo gestorben. Das sind die „Knochen“ einer Person, doch das „lebendige Fleisch“ sind die Geschichten, was er erlebte, seine Vorlieben, sein Werdegang, sein Charakter, sein Umfeld usw. Und mit diesen Geschichten sieht es bei meinen väterlichen Vorfahren recht mau aus, im Gegensatz zu meinen Vorfahren mütterlicherseits. Wahrscheinlich hatten die Migendas andere Dinge im Kopf, als Tagebuch zu führen oder Bücher mit Lebenserinnerungen zu füllen, oder waren geschichtlich betrachtet zu unbedeutend, als daß dann andere sich mit ihrem Lebensweg beschäftigten.
Mein Vater meinte, ja, das wollte er machen, später, wenn er in Pension wäre und dann dafür die nötige Zeit und Muse besäße. Frug ich ihn danach im Laufe der Jahre, meinte er zumeist mit einem leichten Lächeln: „Ja, später einmal. Ich mache das noch schon, wenn ich Zeit habe.“ – Heute, Jahre nach seinem Ableben, stelle ich fest, er hat sein Wort gehalten. In den Zeitschriften, die er las, wurden auch öfter für bestimmte Ereignisse die Leser aufgefordert, ihre Erinnerungen als Zeitzeugen beizusteuern. Da griff er dann gerne in die Tasten seiner neuerworbenen elektrischen Schreibmaschine.
Seine meist kurzen Berichte drehen sich hauptsächlich um das Kriegsgeschehen, das er persönlich erlebte, sowie die Zeit kurz davor und danach. Sie prägten ihn und er verarbeitete sie auch damit. Er wurde zweimal kriegsverletzt, einmal davon erheblich. Oft retteten ihn Glück und schnelle Reaktion, auch die der Kameraden, knapp vor dem Tod. Bei manchen Dingen kommt es mir so vor, daß ein Schutzengel seine Hand über ihn hielt. Da trennten ihn nur Zentimeter vorm sicheren Tod (und diese Webseite gäbe es dann auch nicht). Manch ein Kamerad von ihm hatte nicht sein Glück und ließ sein junges Leben.
Seine Berichte sind meist den Anforderungen der jeweiligen Zeitschriften an Länge und Thema angepaßt, manches überschneidet sich, auf manches wird hier detaillierter eingegangen, in einem anderen Bericht dagegen nur kurz gestriffen. Wo er überall seine Kurzberichte veröffentlichte, ist mir auch nur teilweise bekannt. Wenn ich es weiß, schreibe ich es dazu. Oftmals liegen mir auch nur seine Entwürfe vor, wie es dann in der Veröffentlichung aussah, kann ich nicht sagen, da mir die entsprechenden Bücher oder Zeitschriften nicht vorliegen. Auch das werde ich bei dem entsprechenden Bericht vermerken.
Manche Leute sagen heute, wir leben in einem Staat mit „betreutem Denken“. Zu „betreutem Denken“ gehört dementsprechend auch „betreutes Schreiben“ und „betreutes Lesen“. Wie sähe dies dann aus? Wenn man einen Jugendbericht aus der Zeit des 3. Reiches veröffentlich will, sollten natürlich „kritische“ und „eindeutig distanzierende“ Töne eingeflochten sein. Wenn man von „mißbrauchter“ und „vergeudeter Jugend“, „verbrecheristen Krieg aller Zeiten“ und „größenwahnsinnig“ schreibt, ist man schon auf einem guten Weg. Man sollte sich am besten dann auch noch dafür entschuldigen, daß man überhaupt vor 1945 geboren wurde und genau erklären, was einen hinderte, zum edlen „Widerstandskämpfer“ zu mutieren, wo doch „alle“ schon im voraus wissen mußten, in welcher Katastrophe das alles letztendlich mündete. Fehlt das, macht man sich möglicherweise verdächtig, ein verkappter „Alt-Nazi“ zu sein, der „aus der Geschichte nichts gelernt hat“, der „die alten Zeiten verherrlicht“ oder „ihnen nachtrauert“.
Obwohl, wenn ich die Texte meines Vaters lese, ich nicht das Bedürfnis verspüre, mit ihm damals tauschen zu wollen, wurde er anscheinend bei der Einreichung eines Berichtes zur Veröffentlichung auch nach dem nach Auffassung des Verlegers fehlenden „kritischen“ Auseinandersetzung seines damaligen Tuns gefragt. Der Brief liegt mir leider nicht vor, aber dafür der Antwortbrief meines Vaters als Durchschlag. Auszüge von diesem möchte ich hier veröffentlichen, um meinen Vater selber sprechen zu lassen, wie er darüber dachte:
Hans-Jürgen Migenda, …, 21.05.1996
Sehr geehrter Herr …,
…
Vor 2 Wochen feierten wir in Buer seitens des Schulvereins der EHEMALIGEN unser 50jähriges Nachkriegsabitur des damaligen Förderkurses. Für ein Vollstudium genügte das Kriegsabitur nicht mehr. Etwa 25 ehemalige Kursteilnehmer waren erschienen, also rund 50%! Ein von mir verfaßter Bericht aus der damaligen Kurszeit war sofort vergriffen. Einige der einstigen Luftwaffenhelfer gaben mir freimütig an, sie hätten die damalige Zeit weitgehend in positiver Erinnerung und kamen sogar ins Schwärmen!
Vor etwa ½ Jahr sprach ein Doktorand u.a. auch bei mir vor. Als einstiger LwH, späterer Journalist und nunmehr Rentner befaßt er sich mit der Luftwaffenhelferzeit. Etwa 100 LwH befrage er nach einem systematischen Schema über ihre damalige Einstellung, die besonderen Erlebnisse und die Vorkommnisse. Schließlich wünschte er noch die heutige Meinung zu dieser Zeit und dem Geschehen. Seine bisherige Befragung ergab, daß etwa 1/3 die damalige Zeit positiv, gleichviele negativ und der Rest teils-teils sehen.
In unserer Polsumer Stellung hatten wir einen guten Griff getan. Mit unserem jungen Oberleutnant Willi Weidemann aus Köln, der vordem im Rußlandfeldzug eingesetzt war, befanden wir uns in besten Händen. Er verstand es wunderbar, sich in unsere Lage zu versetzen, sich unserer anzunehmen und den richtigen Betreuungsunteroffizier auszuwählen. Auch unser Klassenlehrer, ein Seeoffizier des 1. Weltkrieges, setzte sich vom ersten Unterrichtstag eisern und mit Erfolg für uns ein. So blieben wir recht bald von weiterer infanteristischer Grundausbildung und ebenso vom Wacheschieben verschont. (Einen kurzen Bericht darüber schrieb ich vor Jahren in unserer Jubiläumschronik des Gymnasiums.)
Zum kritischen Nachdenken regten uns LwH an, die aus Herten kamen und wenig später solche aus der Parallelklasse. Da wäre z.B. zu schreiben, daß einige davon sich für den sonntäglichen Kirchenbesuch stark machten. Sie setzten ihn auch durch und durften nicht nur nach Polsum, sondern auch die Kirche in Buer besuchen und anschließend zu Hause für einige Stunden verweilen. Kontrolliert wurde nicht, da war die Batterieleitung großzügig. Sie stimmte den Argumenten zu, daß wir genau so sonntags zur Kirche durften wie werktags zur Schule; unsere Einsätze vollzogen sich damals hauptsächlich nachts. – Was dem einen recht ist, muß dem anderen billig sein, so sagte sich ein nationalsozialistischer Mitschüler und versuchte deshalb, einen NS-Abend zu gestalten. Da kam er aber an die richtigen „Kameraden“! Sie kamen des nachts als „Heiliger Geist“ über ihn und vermöbelten ihn so gründlich, daß er aus der Baracke zum Sanitäter floh. Die Akteure gehörten schon damals im Geheimen dem Bund Neu-Deutschland an und bewiesen so schlagkräftig ihre Einstellung.
Der Hitlerjugendversuch war damit gescheitert. Ein Mitschüler meinte dazu, das Verhalten sei höchst unchristlich, aber ganz im Geiste der Jesuiten des Mittelalters, der Ketzerverfolgung geschehen.
Ich darf annehmen, daß Sie das erste Beispiel gewiß bringen würden, doch das zweite keineswegs; es ist ja nicht zeitgemäß. – Es liegt mir ein kritischer Brief eines Mitschülers von 1944 vor, der damals noch LwH aus Altersgründen bleiben mußte. Ich staune über seine Offenherzigkeit noch heute, obwohl er wußte, daß manche Post geöffnet und gelesen wurde.
In meinen Bericht der Zeit 1943-44 gehört nicht der Einsatz im Osten Deutschlands 1945, wo wir die russische Seite mit all ihren Schrecken und Greueln erlebten; da wurden die übergelaufenen (und kritischen) deutschen Soldaten in der Seydlitzarmee gegen uns total verheizt. „Nicht schießen, wir sind Deutsche!“ so riefen sie und eröffneten dann das Feuer gegen uns.
Zu meinem Bericht gehört allerdings ein Gespräch mit einem Vater eines LwHs, der vom Kriegsdienst freigestellt worden war und ungeheuer kräftig – noch 1944 – in das Endsieghorn blies. Mir blieb ob solcher Überzeugung die Sprache weg. Nach dem Krieg besuchte ich ihn wiederum. Diesmal hielt er einen Vortrag über die verbrecherische Nazizeit und verteufelte alles, was ihm vordem hehr und heilig war. Diesmal war ich wiederum sprachlos. Meinen Mitschülern erzählte ich von diesem Gesinnungswandel und erfuhr die Hintergründe.
Was haben denn kritische Gespräche der damaligen Zeit gebracht? Praktisch doch ein Nichts. Wenn jemand überzeugt anderer Meinung war, dann hätte er ernstlich und wohlüberlegt handeln sollen und nicht nach dem Krieg „schon immer dagegen“ gewesen sein sollen. Aber das ist ein großes Kapitel für sich.
Kürzlich las ich in einem Buch die Geschichte „Die letzte Reise“ (der Viermastbark Pamir 1957) von Hans Lipinski-Gottersdorf am Ende seines Berichts: „Ich aber habe nicht zu urteilen. Die wahre Weisheit liegt in den Ereignissen. Ich habe nur erzählt, was sich zugetragen hat. Sonst nichts.“ Und dem schließe ich mich voll und ganz bei meinem Bericht über die Luftwaffenhelferzeit an.
Im vergangenen Jahr verfuhr ich ebenso mit einer Schilderung über die LwH-Weihnachtszeit 1943 in Polsum. Sie war mit anderen Berichten/Erzählungen als Buch im Mittelrheingebiet über die Weihnachts(nach)kriegszeit erschienen; ohne Abstriche, Einschränkungen oder Vorbehalte in kürzester Zeit veröffentlicht.
8 Bücher bzw. Hefte über die LwH-Zeit liegen bei mir vor, so auch das Standardwerk von Dr. Ludger Tewes „Jugend im Krieg“ und das eines Mit-LwH aus Herten, der zuletzt als Präsident des Deutschen Handwerkkammertages in Bonn tätig war. Kritische Reflexionen muß man da mit der Lupe suchen. Gleiches gilt auch beispielsweise im Vestischen Kalender 1996 auf Seite 230-236 in „Recklinghausen im Frühjahr 1945“.
In Bad Kreuznach und der weiteren Umgebung erscheinen jährlich/monatlich zahlreiche Heimatkalender und –schriften. Von einem Schriftleiter weiß ich, daß er sich zwar manche Meinung anhört, aber dann doch so konsequent handelt, wie er es für richtig erachtet. Zu all den klugen Ratschlägen meint er nur: „Viele Köche verderben den Brei.“ Der Erfolg gibt ihm recht.
Langer Rede kurzer Sinn: Hiermit ziehe ich meinen Bericht über die Luftwaffenhelferzeit für … zurück.
Mit freundlichen Grüßen!
Hans-Jürgen Migenda
Sehr geehrter Herr …,
…
Vor 2 Wochen feierten wir in Buer seitens des Schulvereins der EHEMALIGEN unser 50jähriges Nachkriegsabitur des damaligen Förderkurses. Für ein Vollstudium genügte das Kriegsabitur nicht mehr. Etwa 25 ehemalige Kursteilnehmer waren erschienen, also rund 50%! Ein von mir verfaßter Bericht aus der damaligen Kurszeit war sofort vergriffen. Einige der einstigen Luftwaffenhelfer gaben mir freimütig an, sie hätten die damalige Zeit weitgehend in positiver Erinnerung und kamen sogar ins Schwärmen!
Vor etwa ½ Jahr sprach ein Doktorand u.a. auch bei mir vor. Als einstiger LwH, späterer Journalist und nunmehr Rentner befaßt er sich mit der Luftwaffenhelferzeit. Etwa 100 LwH befrage er nach einem systematischen Schema über ihre damalige Einstellung, die besonderen Erlebnisse und die Vorkommnisse. Schließlich wünschte er noch die heutige Meinung zu dieser Zeit und dem Geschehen. Seine bisherige Befragung ergab, daß etwa 1/3 die damalige Zeit positiv, gleichviele negativ und der Rest teils-teils sehen.
In unserer Polsumer Stellung hatten wir einen guten Griff getan. Mit unserem jungen Oberleutnant Willi Weidemann aus Köln, der vordem im Rußlandfeldzug eingesetzt war, befanden wir uns in besten Händen. Er verstand es wunderbar, sich in unsere Lage zu versetzen, sich unserer anzunehmen und den richtigen Betreuungsunteroffizier auszuwählen. Auch unser Klassenlehrer, ein Seeoffizier des 1. Weltkrieges, setzte sich vom ersten Unterrichtstag eisern und mit Erfolg für uns ein. So blieben wir recht bald von weiterer infanteristischer Grundausbildung und ebenso vom Wacheschieben verschont. (Einen kurzen Bericht darüber schrieb ich vor Jahren in unserer Jubiläumschronik des Gymnasiums.)
Zum kritischen Nachdenken regten uns LwH an, die aus Herten kamen und wenig später solche aus der Parallelklasse. Da wäre z.B. zu schreiben, daß einige davon sich für den sonntäglichen Kirchenbesuch stark machten. Sie setzten ihn auch durch und durften nicht nur nach Polsum, sondern auch die Kirche in Buer besuchen und anschließend zu Hause für einige Stunden verweilen. Kontrolliert wurde nicht, da war die Batterieleitung großzügig. Sie stimmte den Argumenten zu, daß wir genau so sonntags zur Kirche durften wie werktags zur Schule; unsere Einsätze vollzogen sich damals hauptsächlich nachts. – Was dem einen recht ist, muß dem anderen billig sein, so sagte sich ein nationalsozialistischer Mitschüler und versuchte deshalb, einen NS-Abend zu gestalten. Da kam er aber an die richtigen „Kameraden“! Sie kamen des nachts als „Heiliger Geist“ über ihn und vermöbelten ihn so gründlich, daß er aus der Baracke zum Sanitäter floh. Die Akteure gehörten schon damals im Geheimen dem Bund Neu-Deutschland an und bewiesen so schlagkräftig ihre Einstellung.
Der Hitlerjugendversuch war damit gescheitert. Ein Mitschüler meinte dazu, das Verhalten sei höchst unchristlich, aber ganz im Geiste der Jesuiten des Mittelalters, der Ketzerverfolgung geschehen.
Ich darf annehmen, daß Sie das erste Beispiel gewiß bringen würden, doch das zweite keineswegs; es ist ja nicht zeitgemäß. – Es liegt mir ein kritischer Brief eines Mitschülers von 1944 vor, der damals noch LwH aus Altersgründen bleiben mußte. Ich staune über seine Offenherzigkeit noch heute, obwohl er wußte, daß manche Post geöffnet und gelesen wurde.
In meinen Bericht der Zeit 1943-44 gehört nicht der Einsatz im Osten Deutschlands 1945, wo wir die russische Seite mit all ihren Schrecken und Greueln erlebten; da wurden die übergelaufenen (und kritischen) deutschen Soldaten in der Seydlitzarmee gegen uns total verheizt. „Nicht schießen, wir sind Deutsche!“ so riefen sie und eröffneten dann das Feuer gegen uns.
Zu meinem Bericht gehört allerdings ein Gespräch mit einem Vater eines LwHs, der vom Kriegsdienst freigestellt worden war und ungeheuer kräftig – noch 1944 – in das Endsieghorn blies. Mir blieb ob solcher Überzeugung die Sprache weg. Nach dem Krieg besuchte ich ihn wiederum. Diesmal hielt er einen Vortrag über die verbrecherische Nazizeit und verteufelte alles, was ihm vordem hehr und heilig war. Diesmal war ich wiederum sprachlos. Meinen Mitschülern erzählte ich von diesem Gesinnungswandel und erfuhr die Hintergründe.
Was haben denn kritische Gespräche der damaligen Zeit gebracht? Praktisch doch ein Nichts. Wenn jemand überzeugt anderer Meinung war, dann hätte er ernstlich und wohlüberlegt handeln sollen und nicht nach dem Krieg „schon immer dagegen“ gewesen sein sollen. Aber das ist ein großes Kapitel für sich.
Kürzlich las ich in einem Buch die Geschichte „Die letzte Reise“ (der Viermastbark Pamir 1957) von Hans Lipinski-Gottersdorf am Ende seines Berichts: „Ich aber habe nicht zu urteilen. Die wahre Weisheit liegt in den Ereignissen. Ich habe nur erzählt, was sich zugetragen hat. Sonst nichts.“ Und dem schließe ich mich voll und ganz bei meinem Bericht über die Luftwaffenhelferzeit an.
Im vergangenen Jahr verfuhr ich ebenso mit einer Schilderung über die LwH-Weihnachtszeit 1943 in Polsum. Sie war mit anderen Berichten/Erzählungen als Buch im Mittelrheingebiet über die Weihnachts(nach)kriegszeit erschienen; ohne Abstriche, Einschränkungen oder Vorbehalte in kürzester Zeit veröffentlicht.
8 Bücher bzw. Hefte über die LwH-Zeit liegen bei mir vor, so auch das Standardwerk von Dr. Ludger Tewes „Jugend im Krieg“ und das eines Mit-LwH aus Herten, der zuletzt als Präsident des Deutschen Handwerkkammertages in Bonn tätig war. Kritische Reflexionen muß man da mit der Lupe suchen. Gleiches gilt auch beispielsweise im Vestischen Kalender 1996 auf Seite 230-236 in „Recklinghausen im Frühjahr 1945“.
In Bad Kreuznach und der weiteren Umgebung erscheinen jährlich/monatlich zahlreiche Heimatkalender und –schriften. Von einem Schriftleiter weiß ich, daß er sich zwar manche Meinung anhört, aber dann doch so konsequent handelt, wie er es für richtig erachtet. Zu all den klugen Ratschlägen meint er nur: „Viele Köche verderben den Brei.“ Der Erfolg gibt ihm recht.
Langer Rede kurzer Sinn: Hiermit ziehe ich meinen Bericht über die Luftwaffenhelferzeit für … zurück.
Mit freundlichen Grüßen!
Hans-Jürgen Migenda
Besser keine Geschichte als eine verwurstete, dem andauernd sich ändernden Zeitgeist angepaßte und verfremdete. - Da war mein Vater konsequent.
Eine Menge ließe sich über die deutsche Vergangenheitsbewältigung schreiben, aber das würde hier den Rahmen weit sprengen. - Nur noch soviel. Jeder, der vom hohen Roß herab die damaligen Deutschen verurteilt, sollte sich auch ehrlich fragen, wie er denn, ohne das Wissen von heute, sich wohl selber damals verhalten hätte?
Auch bin ich immer wieder erstaunt, wie locker-leicht und mit welcher Selbstgefälligkeit und Arroganz heute von unserer „Elite“ - gleich einer neuen, moralisch unfehlbaren und über allem stehenden Priesterkaste - die Stäbe über das ganze, damals lebende deutsche Volk, gebrochen werden. Sind sie damit soviel besser als diejenigen, die sie verurteilen und verdammen? - Wir sollten uns dabei auch bewußt sein, daß unsere heutige Gegenwart die reale Vergangenheit, mit allen Konsequenzen, der uns nachfolgenden Generationen Deutscher in 50 oder 100 Jahren ist. Wie denken sie wohl über uns und unsere Zeit? Werden sie uns, über unserem Motto „wir haben aus der Geschichte gelernt“ folgenden „Elite“ der „bunten, vielfältigen und toleranten Gesellschaft ohne irgendwelche Nationalismen“, „der Wertegemeinschaft“ und „wir müssen Verantwortung übernehmen“ (natürlich nicht die Fordernden, sondern nur die ungefragte, arbeitende deutsche Bevölkerung) für alles und jedes in der weiten Welt, als gewandelte, weise und vorausschauende Menschen in den höchsten Tönen loben und ehren? Oder werden sie uns verfluchen, weil wir ebenfalls sehenden Auges und mit voller Absicht, gegen jeden gesunden Menschenverstand, Not und Selbsterhaltungswillen, Deutschland in die nächste Katastrophe steuerten und nichts dagegen taten? – Ich zumindest sehe über uns die Stäbe gleichfalls schon gebrochen.
Berichte des Hans-Jürgen Migenda aus der Kriegszeit und danach:
© Thorsten Migenda 03.12.2017