Erich Migenda (1894 - 1969) im 1. Weltkrieg
Erich Migenda als Gefreiter im noch bunten Soldatenrock des schlesischen Feldartillerie-Regiment Nr. 6 in Breslau, in dem schon sein Vater ca. 26 Jahre vorher diente. Das Foto muß so 1914, spätestens 1915 aufgenommen sein. Ich nehme an, er war hier noch ziemlich am Anfang seiner Soldatenausbildung. Seine Mütze trug er vor dem Foto noch, der Abdruck an der Stirn und den Haaren ist deutlich zu sehen. Vielleicht fand er sich durch sie etwas verunstaltet, sodaß er sie lieber für das Foto abnahm.
Auf dem Photo schlechter Qualität wirkt das Gesicht meines Großvaters dunkel und aufgedunsen. Möglicherweise zeigt das undatierte Bild ihn bei der Genesung der Verwundung, die ihn bei einem französischen Gasangriffes traf. Glücklicherweise überlebte er diesen, war aber sichtlich angeschlagen und brauchte Zeit der Erholung.
Kurze Geschichte des 2. Schlesischen Feldartillerie-Regiments Nr. 42
Balthasar v. Aulock – Radau (1885 – 1968)
Oberst a.D.
Haus Forst, über Niedermarsberg, Westf., 11.3.1963.
Unser Regiment wurde mit dem Stiftungstage vom 25.03.1899 durch Teilung des Feldartillerie Regiments von Peucker ( l. Schlesisches ) Nr. 6 gebildet, über dessen Geschichte hier kurz berichtet werden soll.
Dieses Regiment war bereits im Jahre 1808 als Schlesische Artillerie-Brigade errichtet worden. Jede Brigade bestand damals aus 12 Fuß- und 3 reitenden Stamm-Kompagnieen. Eine Trennung der schweren Festungsartillerie von der Feldartillerie erfolgte erst in einer sehr viel späteren Zeit.
In den bald darauf folgenden Freiheitskriegen (1813-15) kämpften die Batterieen der Brigade meist im Verbande der Armee des Feldmarschalls Blücher, wobei sie sich auf das beste bewährten.
Durch Königliche Kabinettsorder vom 29.02.1816 wurde dann die Formation der Artillerie in 1 Garde- und 8 Linienbrigaden befohlen, entsprechend der gleichzeitig vorgenommenen Einteilung des Heeres in 9 Armeekorps. An der Spitze der Artillerie stand die Generalinspektion der Artillerie in Berlin, der 3 Artillerie-Inspektionen unterstellt waren. Darunter auch eine schlesische in Breslau. Jede Artillerie-Inspektion bestand aus 2-3 Artillerie-Brigaden. Jede Brigade hatte 16 Artillerie-Kompagnieen. 1818 erhielt das schlesische Armeekorps die Nr. VI, wobei auch die schlesische Artillerie-Brigade die Nr. 6 bekam.
1861 wurden die bisherigen Kompagnieen der Feldartillerie in Batterieen umbenannt, doch war diese Bezeichnung bei dem Einsatz im Felde bereits früher schon üblich gewesen.
Anfang der 60-er Jahre erfolgte dann die Trennung der Feldartillerie von der Festungsartillerie. Das Offizierkorps blieb jedoch gemeinsam. Zu unserem schlesischen Feldartillerie-Regiment 6 gehörten damals 3 Fußabteilungen zu je 4 Batterieen sowie 1 reitende Abteilung. 1866 stand das Regiment in Breslau, Neiße, Schweidnitz und Grottkau.
An den Feldzügen von 1866 und 1870/71 nahm das Regiment ehrenvollen Anteil.
1872 erfolgte die völlige Trennung der Feldartillerie von der Festungs-Artillerie, die beide besonderen Inspektionen unterstellt wurden. Letztere erhielt den Namen „Fußartillerie“. Die bisherigen Fußabteilungen der Feldartillerie wurden jetzt fahrende Abteilungen genannt.
Im Frühjahr 1899 wurde aus den beiden in Schweidnitz stehenden Abteilungen des Rgts. 6, d.h. aus der III. und der reitenden Abteilung, ein neues Regiment formiert, das den Namen „2. Schlesisches Feldartillerie-Regiment Nr. 42“ erhielt. – Es bildete mit dem F.A.R.6 zusammen die 11. Feldartillerie Brigade, deren Stab in Breslau stand.
Der Regimentsstab des neuen Regiments wurde neu gebildet. Auch wurde anstelle der an das Feldartillerie Rgt. Nr. 47 abgegebenen 7. Batterie aus Abgaben der ganzen Brigade eine neue Batterie, unsere 1. fahrende Batterie aufgestellt.
Unsere 2. fahrende Batterie (bisher 8. Batterie) hatte bereits an den Feldzügen 1813-15, 1866 und 1870/71 mit Auszeichnung teilgenommen.
Die 3. fahrende Batterie (bisher 9. Batterie) war am 01.10.1890 aufgestellt worden.
Die reitende Abteilung, die bisher nur aus 2 Batterieen bestanden hatte, wurde durch eine 3. Reitende Batterie vervollständigt. Diese Batterie (ehemals 1. Reitende Batterie FAR 6) war 1866 an das Holsteinische Feldartillerie-Regiment abgegeben worden und kam nun als 3. reitende Batterie in die schlesische Heimat zurück. Es war eine stolze Fuchsbatterie.
Die 2. reitende Batterie, unsere Rappenbatterie, war die älteste Batterie unseres Regiments und überhaupt des ganzen VI. Armeekorps. Nach der Westarp’schen Regimentsgeschichte des FAR 6 war sie bereits unter der Regierung des Großen Kurfürsten errichtet worden. Unsere Regiments-Geschichte berichtet dagegen, daß sie als „Schlesische Garnison Artillerie Kompagnie“ im Jahre 1742 aufgestellt worden sei. Die Kriege König Friedrichs des Großen, die Feldzüge von 1806/07, 1813-15, 1848 in Baden, 1866 und 1870 und 71 sind Ruhmesblätter in ihrer Geschichte.
Das schöne Schweidnitz blieb bis zum bitteren Ende die Garnison unseres Regiments. Die I. Abteilung lag in der neuerbauten „Pumperkaserne“ an der Breslauer Straße. Die reitende war mit 2 Batterieen in der alten Kaserne in der Büttnerstraße reichlich primitiv untergebracht, was jedoch der guten Ausbildung keinen Abbruch getan hat. – Die 1. reitende Batterie lag in einem ermieteten Gebäude an dem an der Moltkestraße befindlichen „Reiterplatz“. Dort lag auch der kleine „Gasthof zu Storch“, in dem wir Offiziere vielfach ein das Mittagessen vertretendes Frühstück einnahmen. Die Reitplätze befanden sich am Rande der Promenaden, die sich wie ein grüner Gürtel anstelle der ehemaligen Festungswälle um die Stadt wanden.
Unser Offizierkasino lag mitten in der Stadt am Ringe. Es war in einem alten, noch aus der kaiserlich österreichischen Zeit stammenden Gebäude untergebracht, woran der in der Toreinfahrt angebrachte Doppeladler erinnerte. Das Frühstückszimmer lag im Parterre, das große Eßzimmer und die Gesellschaftsräume im ersten Stock. – Im 2. Stock, nur über eine Hintertreppe zu erreichen, lag das Regimentsbüro, das ebenso wie das daneben liegende kleine Zimmer des Regimentskommandeurs mit altpreußischer Einfachheit eingerichtet war. – Das Mittagessen um 6 Uhr nachmittags war für uns im Kasino obligatorisch. Es war stets eine fast feierliche Angelegenheit. Silberne Bestecke und tadellose Tischwäsche waren selbstverständlich. Für eine gute Küche sorgte der zum Kasinooffizier bestimmte Offizier. Der Kasinooffizier, Sergeant Fordan, sorgte für Ordnung. Die bedienenden Ordonnanzen waren tadellos gekleidet. Als ich 1904 als Fähnrich in das Regiment eintrat, bezahlten wir für das Mittagessen, das aus Suppe, Vorgericht, Braten und Nachtisch bestand, 1,15 Mark!! Dann trank man für 10 Pfennige ein Täßchen Mocca. Auch die anderen Getränke waren billig, ebenso gute Zigarren. Sonntag aß man im Kasino zur Mittagszeit um 1 Uhr und abends in der Stadt, da die Kasino-Ordonnanzen dann Ausgang hatten.
Öfters machten wir an den Sonntagen auch Fahrten in die schöne Umgebung von Schweidnitz, in das nahe Eulengebirge oder in das Waldburger Gebirge mit seinen Bädern. Auch waren wir vielfach auf den Gütern der Nachbarschaft zu Gaste, deren Besitzer damals noch in der Lage waren, eine großzügige Gastfreundschaft auszuüben. Wir benutzten zu diesen Fahrten die Krümperwagen der Batterieen, die relativ billig waren.
Neben der artilleristischen Ausbildung wurde die reiterliche eifrig gefördert, auch durch die im Herbst abgehaltenen Schleppjagden. Diesen diente der Schweidnitzer Jagdreiterverein mit seiner guten, in England besorgten Meute. Hauptträger war neben den Gutsbesitzern des Kreises unser Regiment, das auch immer den Master stellte. Dann auch das in Schweidnitz stehende Grenadier Regiment Nr. 10, mit dem gute Kameradschaft herrschte. Die Meute war im Kasernament der fahrenden Abteilung untergebracht.
Zu unserem Kummer wurde die reitende Abteilung im Herbst 1913 in eine fahrende Abteilung umformiert. Dabei wurde unsere 3. reitende Batterie an das FAR 5 in Sagan abgegeben. An ihrer Stelle wurde durch Abgaben aus der ganzen Brigade eine neue Batterie als 6. Batterie errichtet. Aus Gründen der Tradition wurden jedoch dem Regimentsstab und den beiden ehemaligen reitenden Batterieen der Helmbusch und die Reiterfaustriemen belassen, da die Reiterabteilung und der Stab bei den Paraden bisher schwarze Helmbüsche getragen hatte, das Trompeterkorps rote.
Leider ist es in dem knappen Rahmen nicht möglich, die Namen aller Offiziere des Regiments zu nennen. So soll wenigstens der Regimentskommandeure gedacht werden. Diese waren: Oberst Reinhold (01.10.1898 - April 1905), Oberst Kuno v. Müller (bis Januar 1910), Oberst Frhr. v. König (bis Mai 1913), Oberst v. Heimburg (bis Juni 1916), Major Wille (bis November 1916), Major v. Schell (bis Oktober 1918), Major Tieschowitz v. Tischowa (bis Dezember 1918) und Oberst v.d. Hagen (bis Juni 1919).
In den ersten Weltkrieg rückte das Regiment, vorzüglich ausgebildet, im August 1914 im Verbande der zum VI. Armeekorps gehörigen 11. Infanterie-Division aus, der es bis zum Kriegsende angehören sollte.
Gleich in der ersten Schlacht, bei Tintigny in Südbelgien (22. August 1914) konnte es sich besonders auszeichnen. Unter anderem gelang es der 5. Batterie unter Führung ihres bewährten Chefs Hauptmann Schönfelder, durch eine besondere Heldentat gefechtsentscheidend zu wirken.
Das Regiment blieb dann während des ganzen Krieges an der heißumkämpften Westfront eingesetzt. –
Nach dem siegreichen Vormarsch durch Südbelgien kam der Übergang über die Maas (24. – 19.08.1914) und der Vormarsch durch die Argonnen (30.08. – 03.09.), dann die schweren Kämpfe nördlich Bar le Duc bei Louppy le Chateau (04. – 11.09.). Nach dem durch die Marneschlacht bedingten kurzen Rückzug erfolgten hartnäckige Stellungskämpfe bei Cernay en Argonne.
Am 19. Oktober wurde die 11. Infanterie-Division und mit ihr unser Regiment in der Champagne in der Gegend von Reims in einer Stellung südlich Nauroy eingesetzt, in der eine relativ geringe Gefechtstätigkeit herrschte.
Um so ernster war der Einsatz im Juni 1915 im Großkampf vor der berüchtigten Lorette Höhe, wo es dem VI. Armeekorps in erbitterten Kämpfen gelang, die französische Offensive zu stoppen. Nachdem dort die Kämpfe abgeebt waren, verblieb das Regiment in dieser Stellung. Doch erlebte es hier die so überaus schwerer feindliche Offensive der „Herbstschlacht bei la Bassée und Arras“, in der es zwar gelang, die Offensive zu stoppen und die Durchbruchsversuche des Feindes zu verhindern. Doch kosteten uns diese Kämpfe sehr schwere Verluste. (22.09. – 15.10.1915). –
Danach wurde das Regiment in einer zunächst ruhigen Stellung in der Picardie bei Péronne an der Somme eingesetzt. Zu einer größeren Kampfhandlung kam es dort zunächst erst bei der Einnahme des Brückenkopfes von Frise am 28./29.01.1916. – In dieser Stellung erlebte das Regiment dann am 24.06.16 den Beginn der großen Schlacht an der Somme, in der es dort bis zum 15.08.1915 eingesetzt blieb. Es folgten Stellungskämpfe bei Roye in einem ruhigeren Abschnitt (bis September 16) und darauf der zweite Einsatz in der Schlacht an der Somme (08.09. – 31.10.1916). – Dann wieder Stellungskämpfe bei Reims und Ruhe bei St. Quentin (bis Dezember 1916).
Zu diesem Zeitpunkt erhielt das Regiment eine III. Abteilung mit westdeutschem Ersatz, die mit 1. Feldhaubitzen ausgerüstet war.
Es folgten Stellungskämpfe bei Noyon (02.01. – 03.02.1917) und an der Somme-Front, wo inzwischen Ruhe eingetreten war (04.02. – 14.03.1917). Dann kam der befohlene Rückzug zur Verkürzung der Front in die sogenannte Siegfried-Stellung (16. – 20.03.1917), der ohne Verluste planmäßig vor sich ging.
Die folgende Osterschlacht bei Arras brachte für das Regiment wohl die schwersten Tage des ganzen Krieges, das bei tapferstem Einsatz die schwersten Verluste hinnehmen mußte.
Bis zum 29.05. war das Regiment bei Kortryk in Ruhe, als Armee-Reserve, wurde danach bei Wytschaete in Flandern wieder eingesetzt. Darauf Ruhezeit bei Metz und Vouziers und Stellungskämpfe bei Thiaucourt und Somme-Py in der Champagne (Juli bis Oktober 1917). – Anschließend erfolgte der 2. Einsatz in der Schlacht bei Paschendaele in Flandern (01. – 14.11.1917).
Die 11. Infanterie-Division kam dann als Armee-Reserve in der Gegend von Sedan in Ruhe. (07.11. – 06.12.17). Anschließend wurde sie in einer Stellung bei Cernay eingesetzt. – Nach einer Ausbildungszeit bei Vendresse (bis 21.02.18) kamen Stellungskämpfe bei Ripont (22.02. – 14.04.1918) und bei Noyon (15.04. – 24.05.1918). Darauf Einsatz bei dem erfolglosen Vorstoß auf Compiegne (09. – 17.06.1918).
Nach einer Ruhezeit bei Noyon und Stellungskämpfen bei Montdidier (17.06. – 12.08) kamen die sogenannten schwarzen Tage des deutschen Heeres, an denen die deutsche Offensive endgültig zusammenbrach (08. – 10.08.1918). Das Regiment hatte bei den Kämpfen um die Siegfried-Stellung wieder die schwersten Verluste. Am 04.11.1918 wurde der Rückzug in die „Antwerpen-Maas-Stellung“ angetreten, doch kam es infolge des inzwischen eingetretenen Waffenstillstandes zu keiner Kampfhandlung mehr.
Das Regiment erreichte am 20.11. die deutsche Grenze, wurde verladen und kam um den 05.12.1918 in Schweidnitz an, unberührt von den zersetzenden Einflüssen der Revolution. Da die Kasernen verseucht waren, wurde in den umliegenden Dörfern Quartier bezogen.
Sehr bald wurde das Regiment im Grenzschutz gegen die Tschechei und später in der Gegend von Militsch gegen die Polen eingesetzt.
Die Verluste des Feldregiments betrugen 31 Offiziere und ca. 420 Unteroffiziere und Mannschaften an Toten. 22 Offiziere waren bei anderen Formationen gefallen. Ehre ihrem Andenken!
Im Juli 1919 wurde unser stolzes Regiment aufgelöst.
Die Tradition übernahm zunächst die 14. Batterie des Artillerie-Regiments 3 der neuaufgestellten Reichswehr, eine reitende Batterie, die in Sprottau stand. Im neuen Heer führte die Tradition das Artillerie-Regiment 28 weiter, das in Schweidnitz in Garnison lag.
Die von General Schönfelder verfaßte Regimentsgeschichte schließt mit den folgenden Sätzen: „Die vornehmste Aufgabe der Artillerie, der Infanterie den Weg zum siege zu bahnen, hatte unser Regiment vorbildlich erfüllt, und es hatte sich in allen Lagen tapfer bewährt. – Jeder Angehörige des Regiments … kann das Bewußtsein restlos erfüllter Pflicht durch sein ganzes Leben in sich tragen und stolz darauf sein, in unserem ruhmreichen Regiment mitgekämpft zu haben, getreu dem Spruch, der auf unseren Geschützrohren uns mahnte zu leben und zu sterben:
PRO GLORIA ET PATRIA!“
Die vorstehende kurze Regimentsgeschichte wurde verfaßt auf Grunde der Westarp’schen Geschichte des FAR 6 (erschienen ca. 1890) und der Schönfelder’schen Geschichte unseres Regiments. Bei dem geringen zur Verfügung stehenden Raum konnte nur in ganz großen Zügen berichtet werden.
Balthasar v. Aulock-Radau
Oberst a.D.
Haus Forst, über Niedermarsberg, Westfalen, 11.03.1963
Oben das Flugblatt mit der Festfolge zum 75. Stiftungsfest des Kriegervereins von Reichenbach / Eulengebirge, dem auch Erich Migenda angehörte, am 11. und 12. Juli 1925, sowie dem Programmheft, welches 50 Pfennige kostete. Interessant zu lesen sind die diversen Reklameanzeigen, die Zeugnis von den ehemaligen Geschäften und Wirtschaften in Reichenbach geben.
© Thorsten Migenda 03.12.2017
letzte Überarbeitung: 2021-02-15
letzte Überarbeitung: 2021-02-15